Herkules (Omphale-Typus)
Inv.-Nr. B XVI. Tab. B-VI-21
Künstler Kasseler Hofwerkstatt
Ort Kassel
Datierung 17. Jh.
Steinschnittart Kamee
Material Jaspis
Materialbeschreibung hellbraun mit leichtem Roséton; Rückseite hellbraun, mit braunen Partien
Bildseite poliert, Rückseite grob belassen
Form Hochoval
Maße 3,59 x 2,21 x 0,68 cm
Beschriftung rückseitig Aufkleber (Typ A): "115-138"
Provenienz 1730 Nachlaß Landgraf Karl
Zustand rundum am Rand zahlreiche Ausbrüche; Rückseite in Schollen grob abgebrochen
Beschreibung und Einordnung Der jugendliche unbärtige Herkuleskopf ist im Profil nach links dargestellt. Die Gesichtszüge sind grob gearbeitet, jedoch mit gutem Ausdruck. Über dem Stirnhaar mit kleinen Buckellocken liegt das Löwenhaupt mit geschlossenen Augen. Die kurzsträhnig gewellten Haare des Löwenfells hängen lang zum Nacken herab. Um den Hals ist ein Gewandansatz mit vorn geknotetem Löwenfell angedeutet.
Diese Kamee könnte zu der Gruppe der 60 von Labhart unvollendet hinterlassenen Stücke gehören (vgl. dazu hier die Einleitung). Der farblich ungewöhnliche Jaspis wirkt insgesamt roh und teilweise noch unbearbeitet.
Weber (Weber 1995, Nr. 86) diskutiert bei einer Münchner Omphale-Kamee des 19. Jahrhunderts die Frage, ob Herakles oder Omphale dargestellt ist. Sie stellt fest, daß der Typus des bartlosen jugendlichen Herakles, bei dem das Fell meist über der Brust zusammengeknotet und kurz ist, in der Glyptik weit verbreitet war. Im Gegensatz dazu spreche weit in den Rücken fallendes langes Haar wie malerische Gestaltung eher für eine Darstellung der Omphale. Omphale war Königin von Lydien in Kleinasien. Da Herkules zur Sühne auf Befehl des delphischen Orakels von Omphale als Sklave erworben wurde, hielt sie ihn in ihren Diensten und er wurde ihr Geliebter. In den Darstellungen trug sie zumeist wie Herkules das Löwenfell mit dem Raubtierrachen um den Kopf.
In der antiken Literatur wurde dieser Typus immer als Herkules geführt. Der hier besprochene Kameo folgt dem bekanntesten Kameo dieses Typs aus dem Besitz des Lorenzo de' Medici, der sich heute in der Neapler Sammlung befindet (Gasparri 1994, Nr. 45, Abb. 91; Lippold 1922, Taf. 35, Nr. 7). Dort wird Herkules als jugendlich, unbärtig und mit Löwenfell dargestellt. Vollenweider schreibt diesen Herakles-Kameo mit dem über das Hinterhaupt gezogenen Löwenfell aufgrund stilistischer Vergleiche dem berühmten Steinschneider Gnaios (1. Jh. n. Chr.) zu (Vollenweider 1966, Taf. 42, Nr. 3, S. 46, Anm. 55). Wentzel dagegen bezeichnet den Kameo als florentinische Arbeit des 15. Jahrhunderts (H. Wentzel, in: Enciclopedia universale dell'arte, Venedig 1958ff., Bd. V, Taf. 188,4).
Bei dem hier vorliegenden Herkuleskameo sind die Haare sehr lang, der Gesichtsausdruck ausgesprochen feminin, so daß einige Elemente auch für eine Darstellung der Omphale sprechen könnten. Das über der Brust kurz zusammengeknotete Fell und vor allem die Bezeichnung des antiken Vorbilds würden nach Webers Interpretation eher für Herkules sprechen.
Die Herkulesikonographie zeigt sich in der Glyptik in sehr uneinheitlicher Ausprägung. Möglicherweise trug der berühmte Piccolomini-Anhänger im British Museum in London mit seiner Doppelkamee "Herkules und Omphale" (Dalton 1915, Nr. 109, 110, 112) aus dem 16. Jahrhundert zu der Verwirrung bei, ob eine männliche oder eine weibliche Figur dargestellt ist. Verallgemeinernd wollte man das Männliche und Weibliche in der Gestalt des Herkules aufzeigen.
Stand: April 2006
Quellen
Designationsliste (1730) 1753, Nr. 115: "Eilf Köpfe und Brustbilder in orientalischen Steinen, von welchen einer eingefasst. [Nachlaßinventar] 138."
Inventar Völkel 1791, Tab. XXIII. 21: "Omphale, Königin von Lydien, der Herkules verkauft wurde und diente, und dessen Löwenhaut sie auch auf dem Kopfe trägt." ("Achat" mit Bleistift hinzugefügt)
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. VI. 21: "Kopf der Omphale. Achat."
Inventar Pinder 1882-1897 (B V), Tab. IV. 20: "Kopf der Omphale. Achat. [Vorgängerinventar] VI 21."
Literatur
unpubliziert
Vergleich Dalton 1915, Nr. 110, 112, Taf. 6; Lippold 1922, Taf. 35, Nr. 7; Wentzel, in: Enciclopedia universale dell'arte, Venedig 1958ff., Bd. V, Taf. 188,4; Vollenweider 1966, Taf. 42, Nr. 3; Gasparri 1994, Nr. 45, Abb. 91; Weber 1995, Nr. 86, Taf. VII (mit weiterer Lit.)
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