Museumslandschaft Hessen Kassel

   
Katalog der nachantiken Kameen



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Sisyphos mit einem Felsbrocken auf dem Rücken

Inv.-Nr. B XVI. Tab. B-VI-31
Künstler
unbekannt
Ort
Italien
Datierung
16. Jh. (?); Fassung: wohl zeitgleich
Steinschnittart
Kamee
Material
Chalcedonachat
Materialbeschreibung
weißes Relief auf zart hellgrau-violettem Grund

Bildseite poliert
Form
Hochoval
Fassung
Silber, vergoldet; Kastenfassung mit nach vorne greifenden abgerundeten Zacken; auf der Rückseite in der Mitte Schräubchen, oberes Schräubchen verloren
Maße
3,04 x 2,25 x 0,65 cm mit Rückplatte
mit Fassung 3,39 x 2,55 cm
Beschriftung
rückseitig Aufkleber (wohl Typ D oder E): "658"
Provenienz
1730 wohl Nachlaß Landgraf Karl
Zustand
mehrere Bestoßungen am erhabenen weißen Randstreifen; rechts unten am Rand segmentartige befestigte Bruchstelle; auf der Rückseite eine Schraube verloren



Beschreibung und Einordnung
Der nackte bärtige Sisyphos steht ganzfigurig in Dreiviertelansicht en face, nach rechts schreitend. Mit seinen hochgereckten Armen hält er über seinen Schultern einen großen Felsbrocken. Anschaulich ist der Augenblick dargestellt, in dem er durch die Last zu Boden gedrückt wird und sich deshalb breitbeinig abstützt, die Muskeln quellen am Oberkörper athletisch hervor. Das Tragen und Lasten ist damit eindrucksvoll veranschaulicht. Sisyphos steht mit beiden Beinen auf einem felsigen Areal, das sich nach rechts in den Hintergrund zieht und dort durch übereinandergeschichtete Steine angedeutet wird.
Der Steinschneider hat einen dünnen Randstreifen aus der oberen weißen Schicht stehen gelassen, um die Komposition bildmäßig herauszuheben.
Völkel bezeichnet den Dargestellten als Atlas mit dem Himmelsgewölbe. Diese Interpretation ist jedoch durch die vom üblichen Typus abweichenden Attribute nicht haltbar. Der Dargestellte zeigt auf seinem Rücken kein Himmelsgewölbe, sondern offensichtlich einen Stein. Das Ambiente mit den Felsbrocken weist ebenfalls auf die Identifizierung als Sisyphos hin. Sisyphos, König von Ephyra, dem späteren Korinth, mußte als Strafe für seine Untaten in der Unterwelt ewig einen Felsbrocken den Berg hinaufwälzen, der immer wieder hinunterrollte.
Die nachantike Welt folgte bei der Darstellung des Sisyphos thematisch Ovids Metamorphosen (Ovid, Met. 4,456-463). Auch Tizian griff das Thema auf, sein Gemälde aus dem Jahre 1549 im Prado zeigt den Heros, wie er den Stein auf seinen Schultern trägt.
Für den hier besprochenen sehr qualitätvollen Kameo konnte bisher keine direkte Vorlage gefunden werden. Diskutiert werden muß, ob es sich um ein antikes Stück handelt. Der Felsbrocken über den Schultern könnte auch das Kissen des listigen Herkules darstellen, der Atlas bat, ihm kurz das Himmelsgewölbe abzunehmen, damit er sich ein Kissen auflegen könne. Durch diese List zwang er ihm die Last wieder auf. Diese motivische Vermischung von Kissen und Felsbrocken erzeugt eine Unklarheit und würde für eine Datierung ins 16. Jahrhundert nach verschiedenen antiken Vorlagen sprechen (Metope vom Zeustempel in Olympia, um 460 v. Chr., Olympia, Museum).

Stand: April 2006

Quellen
Inventar Völkel 1791, Tab. XXIII. 31: "Atlas mit dem Colus auf dem Rücken. Eingefaßt."
Pretiosen-Inventar Völkel 1827 (B II), Inv.No. B II. 658
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. VI. 31: "Atlas mit Tellus auf dem Rücken. Achat. Mit Einfassung. / Jetzt Pret. V No. 658 / Hier liegt jetzt der Christuskopf, Tablette II No. 7." ("Pretiosen" mit Bleistift hinzugefügt)
Preziosenliste Lenz 1881, Inv.No. V. 658

Literatur
unpubliziert



Es wird empfohlen, für den Online-Katalog der nachantiken Kameen folgende Zitierweise zu verwenden:
Heidi Schnackenburg-Praël, [entsprechende Inv.-Nr. bzw. Einleitungstext], in: Bestandskatalog der nachantiken Kameen in der Sammlung Angewandte Kunst der Staatlichen Museen Kassel, hrsg. von Michael Eissenhauer, bearb. von Heidi Schnackenburg-Praël, Online-Kataloge der Staatlichen Museen Kassel, Kassel 2006, <http://www.museum-kassel.de [Datum des Besuchs der Website]>

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