Weibliches Brustbild
Inv.-Nr. B XVI. Tab. B-IV-19
Künstler unbekannt
Ort Mailand
Datierung um 1580; Fassung: zeitgleich
Steinschnittart Kamee in einem Anhänger
Material Chalcedonachat
Materialbeschreibung weißes Relief auf hellgrauem Grund
Relief schwach, Hintergrund stark poliert
Form Birnenform
Fassung Gold mit farbigem Email; in tiefem Kästchen mit schwarzemailliertem Ornamentrand in goldenem Rahmen aus durchbrochenem Rankenwerk mit alternierend weiß-grün-blau-schwarz gefüllten Emailpartien; oben, unten und an beiden Seiten jeweils eine Öse; an der unteren Öse hing möglicherweise ehemals eine Perle; auf der Rückseite aufgesetzte Verzierungen aus Zellenschmelz: in der Mitte ein leuchtend blauer ovaler Schild, umgeben von grünen und weißen Arabesken
Maße 1,87 x 1,4 x 0,8 cm Fassung 3,12 x 2,41 cm
Beschriftung rückseitig Aufkleber (Typ D): "641"
Provenienz 1753 Kunsthaus
Zustand Nase bestoßen, davor am Rand Beschädigung, durch die Umrahmung etwas ausgeglichen
Beschreibung und Einordnung Dieses zierliche Schmuckstück könnte von einem Mitglied des landgräflichen Hauses getragen worden sein. Man würde gern wissen, von wem. Die vier Ösen sprechen dafür, daß das Kleinod als Agraffe auf ein Kleidungsstück genäht werden sollte. Das Kameenbild zeigt ein in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts verbreitetes Brustbild einer Frau im Profil nach rechts, mit reich dekorierter Frisur und feingefälteltem Gewand, die rechte Hand im Rede- oder Zeigegestus erhoben.
Die dargestellte Frau läßt sich nicht benennen; dieser Typus wurde bei den Renaissance-Kameen beinahe serienmäßig in allen möglichen Varianten hergestellt. Zuweilen ist die Frau durch eine Schlange als Kleopatra oder durch einen Dolch als Lucretia charakterisiert. Weber bezeichnet diese Art der Darstellung als einen der häufig variierten Frauentypen auf Renaissancekameen (Weber 2001, Nr. 80). Die Bedeutung des hier vertretenen Typus mit dem sogenannten Zeigegestus ist noch ungeklärt.
Die Figur ist eng eingepaßt, die Dargestellte sprengt gewissermaßen die Steinumrandung zu der kunstvollen und besonders anmutig wirkenden Emailumrahmung.
Das Schweifwerk der Emailfassung läßt sich wie der Steinschnitt in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts datieren. Etwa zeitgleich wird ein anderer fürstlicher Schmuck (R.-A. Schütte, in: Kat. Kassel 2001, S. 120f.) im Hessischen Landesmuseum in Kassel zu datieren sein, eine Hutschnur Ludwigs IV. zu Oberhessen mit acht sogenannten Rosen und einer Agraffe mit dem heiligen Georg. Dieses Ensemble wurde mit anderen Kleinodien im Jahre 1823 aus den Särgen in der lutherischen Kirche in Marburg gehoben. Hackenbroch (Hackenbroch 1979, S. 166f., Abb. 449) hat diese Georgs-Agraffe von einem Goldschmiedemodell aus Blei eines Augsburger oder Nürnberger Formgießers abgeleitet und ordnet dieses Kleinod dem süddeutschen Raum zu.
Die Steinschneidearbeit des hier besprochenen Schmuckanhängers dürfte wohl eher in Mailand entstanden sein, möglicherweise in der großen Miseroni-Werkstatt. Die gefällige Fassung ist schwierig zu bestimmen, da Technik und Ornamentik in vielen Kunstzentren bekannt waren. Sie wäre in Mailand, aber auch im süddeutschen Raum vorstellbar.
Stand: April 2006
Quellen
Inventar Völkel 1791, Tab. VII. 19: "Diana. Or. Achat."
Pretiosen-Inventar Völkel 1827 (B II), Inv.No. B II. 641
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. IV. 19: "Weibliches Brustbild. Or. Achat. Goldene Einfassung mit bunter Emaille. / Pretiosen / Jetzt Pret. V No 641."
Preziosenliste Lenz 1881, Inv.No. V. 641
Inventar Pinder 1882-1897 (B V): "Hier ist jetzt ein leeres Feld."
Literatur
Möbius 1929, S. 57, Taf. 18a, c; Weber 2001, Nr. 80
Vergleich Eichler/Kris 1927, S. 145, Nr. 308, Abb. 65; Hackenbroch 1979, S. 166f., Abb. 449; R.-A. Schütte, in: Kat. Kassel 2001, S. 120f.
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