Doppelseitig: Weibliches Brustbild / Medusenhaupt
Inv.-Nr. B XVI. Tab. B-IV-22
Künstler unbekannt
Ort Frankreich
Datierung 2. Hälfte 16. Jh.
Steinschnittart Kamee (beidseitig)
Material Lapislazuli
Materialbeschreibung dunkelblau; auf der Vorderseite an der Nasen-Kinn-Partie und an ihrer rechten Brust ein helleres Blau; an einigen Partien feine Goldglimmer-Einschlüsse
insgesamt schwach poliert
Form Hochoval
Maße 4,16 x 2,91 x 1,72 cm
Provenienz 1753 Kunsthaus
Zustand auf der Seite mit dem weiblichen Brustbild oben und rechts in der Mitte kleiner Randausbruch, möglicherweise durch eine ehemalige Befestigung; unten rechts der Mitte ebenfalls Randabsplitterung; vertikaler Riß vom oberen Rand über die Haare und die rechte Wange des Medusenkopfs
Beschreibung und Einordnung Dieser außergewöhnliche Lapislazuli beeindruckt nicht nur durch die tiefblaue Farbintensität, sondern ebenso durch die hervorragende Steinschneidearbeit des doppelseitig geschnittenen Steines.
Auf der Vorderseite ein weibliches Brustbild, den Blick leicht nach links oben gerichtet, die Pupillen angebohrt. Das Haar ist in der Mitte gescheitelt und in Strähnen gewellt nach hinten geführt, einzelne lange geringelte Locken fallen links und rechts auf die Schultern und nach vorne herab. Diese Korkenzieherlocken scheinen unten mit dem Gewand zu verschmelzen und könnten auch als eigenwillige Gewandumrandungsstreifen zu verstehen sein. Das gleichmäßig gefältelte Gewand mit spitzem Ausschnitt wird an den Schultern von einer Schließe gehalten.
Auf der Rückseite ein Medusenhaupt in Vorderansicht, Kopf und Blick leicht nach rechts gerichtet, Augen mit gebohrten Pupillen. Die Haare umgeben den Kopf mit stark nach oben gebauschten lockigen Strähnen. Flügel und Schlangen sind im Haar zu erkennen, jedoch nicht exakt zu separieren. Unter dem Kinn zwei nicht zusammengeführte, sozusagen ungeknotete Schlangenenden, die nach beiden Seiten volutenförmig auslaufen.
Völkel und Pinder sehen das Medusenhaupt als Vorderseite an und nennen es an erster Stelle. Die Entscheidung darüber ist schwierig, da beide Seiten eine hervorragende und gleichwertige Qualität aufweisen.
Das weibliche Brustbild auf der Vorderseite ist der bei Weber (Weber 1992, Nr. 79, Taf. III) abgebildeten Omphale stilverwandt. Der Münchner Kameo ist ebenfalls aus Lapislazuli, auffallend ähnlich sind die Augenbildung, die Art der linearen Mittelscheitelung der Haare, die charakteristischen Lockensträhnen, die wie ein geflochtenes Band am Schleier und am Schultertuch der Omphale auffallen. Man könnte an denselben Gemmenschneider oder dieselbe Werkstatt denken. Nach Weber "tendiert" die vorliegende Arbeit "mehr zum französischen Manierismus" (Weber 1992, Nr. 79). Zu dieser Gruppe gehört außerdem eine Minerva-Kamee der Bibliothèque Nationale in Paris (Hackenbroch 1979, Nr. 205 A). Sie ist ebenfalls aus Lapislazuli, ähnlich ist der Gesichtstypus mit dem scharfen Profil und den etwas herausquellenden Augen. Hackenbroch hält diesen Kameo ebenfalls für französisch und datiert ihn um 1550-1560.
Im Jahre 1674 erwarb Ludwig XIV. eine Lapislazuli-Kamee mit der sogenannten "Unbekannten", ein bedeutendes Stück (Babelon 1897, Nr. 1009, Taf. LXV). Dieses ist viel reicher an Dekor (Diadem, zweireihige Perlenkette), jedoch zeigt sich eine Stilähnlichkeit und eine Verwandtschaft in der Verschmelzung der Korkenzieherlocken mit dem Gewandstreifen.
Der Medusenkopf auf der Rückseite ist typenverwandt mit einer Medusa, die das hellenistische Vorbild zeigt und die den gleichen pathetischen Ausdruck hat (Furtwängler 1896, Nr. 11059).
Stand: April 2006
Quellen
Inventar Völkel 1791, Tab. VII. 22: "Medusenkopf auf der einen Seite, auf dern anderen weibliches Brustbild. Lap.Laz."
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. IV. 22: "Medusenhaupt. LapisLazuli. Auf der andern Seite: weibliches Porträt."
Inventar Pinder 1882-1897 (B V), Tab. II. 18: "Medusenhaupt auf der andern Seite weibliches Porträt. Lapis Lazuli."
Literatur
unpubliziert
Vergleich Furtwängler 1896, Nr. 11059; Babelon 1897, Nr. 1009, Taf. LXV; Hackenbroch 1979, S. 84, Nr. 205A; Weber 1992, Nr. 79, Taf. III
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