Beschreibung und Einordnung Doppelseitig geschnittener Stein. Auf der Vorderseite ein differenziert gearbeitetes weibliches Brustbild mit feinen Details, nach rechts gewandt. Bekleidet ist die weibliche Dargestellte mit einer Rüstung, darüber ein auf der Schulter durch eine Agraffe gehaltener Umhang. Auf dem Haar ein Lorbeerkranz, mehrere Strähnen sind zu Zöpfen gebunden und werden im Nacken durch eine Schleife zusammengefaßt, einzelne Lockensträhnen fallen seitlich auf die Schultern nach vorne. Über der Stirn ein Teil hochgebauscht. Am Ohr ein Perlengehänge.
Auf der Rückseite eine Leierspielerin, die auf einem Stuhl nach rechts sitzt. Über dem unbekleideten Oberkörper ein um die Schultern zum Rücken herabfallender Umhang, der über den Brüsten durch eine Spange gehalten wird. Oberschenkel und Beine werden von einem Tuch umhüllt. In der linken Hand hält sie die Leier, die Rechte hängt lose herab. Vor der geschwungenen Stuhllehne ein Köcher mit Pfeilen.
Rechts im Feld senkrecht verlaufende zweizeilige Beischrift in erhaben geschnittenen griechischen Buchstaben: "ΣAΠΦΩ / ΛEΣBΟΣ" (Sappho aus Lesbos).
Das Brustbild ist in hohem Relief, die Seite mit der Leierspielerin dagegen in flacherem Relief gearbeitet.
Meyer beschreibt die allgemeinen Stilmerkmale der Gruppe (Meyer 1973, Nr. B-3, S. 93f.): "Charakteristisch für diese Gruppe ist die Art, in der der Übergang vom sehr hohen Relief zum Grund gestaltet ist ... Bei den Kasseler Arbeiten verläuft das Relief in steilem Bogen zum Grund ohne Hinterschneidung. Nur die Profilzone hat eine signifikante besondere Ausgestaltung erfahren. Im Bereiche des Profils bricht das Relief aus großer Höhe fast senkrecht zum Grunde hin um. So entsteht ein breiter, annähernd rechtwinklig auf dem Grund stehender Steg. Er bleibt im Bereich von Stirn und Nase stehen und bildet aus der Seitenansicht gesehen die Stirn- und den Nasenrücken." Meyer schreibt diesen Kameo sicherlich zu Recht Christoph Labhart selbst zu. In der Beschreibung spricht er allgemein von einem "Weiblichen Brustbild" und von einer "Leierspielerin" auf der Gegenseite. Die Inschrift konnte er wohl nicht entziffern.
Ob bei dem weiblichen Brustbild auf der Rückseite ebenfalls Sappho oder eine andere weibliche Person gemeint ist, läßt sich nicht klären. Hier könnte ähnlich wie bei dem verwandten Steinschnitt B XVI. Tab. B-VI-32 (dort weitere Diskussion der Interpretationsmöglichkeiten) Sappho, eine Muse oder - aufgrund der androgynen Gestaltung - ein mißverstandener Apollo gemeint sein, jedenfalls sehen die beiden Brüste weiblich aus, der Köcher mit den Pfeilen dagegen würde eher für Apollo sprechen. Möglicherweise handelt es sich um einen mißverstandenen Typus.
Stand: April 2006
Quellen Inventar Völkel 1791, Tab. XXIV. 7: "Eine weibliche Büste. Chalced."
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. I. 7: "Weibliche Büste. Chalc."
Preziosenliste Lenz 1881, Inv.No. IV. 119
Literatur Meyer 1973, Nr. B-3, Taf. 7,3-4 u. Taf. 9,1-2
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