Beschreibung und Einordnung Ein fein ausgearbeitetes Brustbild Christi ist ins Profil nach links gewendet, mit Oberlippen-, Wangen- und spitz verlaufendem Kinnbart. Die differenzierte Modellierung der Wangenknochen und Erhöhung der Augenbrauen verrät einen bedeutenden Steinschneider. Auf dem lang herabwallenden gelockten Haar eine Dornenkrone mit ausgeprägten Stacheln. Über dem gefältelten Gewand mit rundem Ausschnitt ein Umhang mit breiter verlaufenden Falten.
Der weit verbreitete und vielfach variierte Christus-Typus wurde zumeist in Heliotrop gearbeitet, da sich der dunkelgrüne Stein mit den roten Einschlüssen, den geheimnisvollen "Blutstropfen", besonders zur Andacht eignete. Teilweise wurden die roten Einschlüsse unmittelbar zur Darstellung von Blutstropfen verwendet. Prägend für den Typus, auch in der Steinschneidekunst, war sicherlich eine signierte Christus-Medaille (R.-A. Schütte, in: AK Wien 1988, Nr. 487) des Antonio Abondio (1538-1591), der zum Kreise Rudolfs II. gehörte und sicherlich sein bester Medailleur war. Abondio war auch in Augsburg und arbeitete in München für Herzog Wilhelm V. von Bayern. Sein prägender Christustyp geht zurück auf die Vera Icon in Rom.
Bei dem hier besprochenen Steinschnitt läßt das gewellt fallende Haar die differenziert geformten Ohrmuscheln im Gegensatz zu dem Abondio-Vorbild frei.
Ein weiterer Kasseler Kameo (B XVI. Tab. B-II-3) mit einer verwandten Christusdarstellung ist abweichend nach rechts gewandt, der Schulterabschluß ist variiert, das Relief plastischer gestaltet. Trotz des flacheren Reliefs zeigt der hier besprochene Kameo in seiner fein modellierten Durchgestaltung der Gesichtszüge eine erstaunliche Körperlichkeit und Qualität. Sicherlich aufgrund seiner hohen Qualität bekam das Medaillon eine kostbare und zierliche Goldfassung, die das dunkle Grün des Heliotrops in dem grün emaillierten und mit feinem Golddraht umwickelten Reif aufnimmt.
In der Münzsammlung in München befindet sich eine doppelseitige Heliotropkamee mit einer Variante dieses Christustyps (Weber 1992, Nr. 114). Weber sucht den Künstler wegen der hohen Qualität unter den namhaften Italienern des frühen 17. Jahrhunderts und schreibt den Münchner Kameo aufgrund des ähnlichen Faltenstils der Marienrückseite mit einem signierten Werk ("Maria Magdalena": Kris 1929, Nr. 611) dem Ottavio Miseroni (um 1568-1624) oder dessen Prager Werkstatt zu und datiert ihn "um 1600".
Zahlreiche Blutsteine mit demselben Christustypus sind dem Kasseler Kameo so eng verwandt, daß man an dieselbe Hand oder zumindest an dieselbe Werkstatt denken muß. Bei der Miseroni-Werkstatt käme der sehr viel länger lebende Bruder des Ottavio Miseroni, nämlich Alessandro Miseroni (um 1573-1648), in Frage (R. Distelberger, in: AK Wien 2002, S. 245). Er war von 1605 bis 1612 in kaiserlichen Diensten (Kris 1929, S. 142, Anm. 12). Ein genau übereinstimmendes Exemplar des Kasseler Christustyps befindet sich in Paris (Babelon 1897, Nr. 408). Die Sammlung Milton Weil im Metropolitan Museum in New York (Kris 1932, Nr. 37) enthält einen verwandten Kameo. Ein ähnliches Stück mit einem Pendant der Maria ist in Wien (Kris 1929, Nr. 622/183 und 621/183; Eichler/Kris 1927, Nr. 415-419). Derselben Gruppe ist ein Exemplar in Paris zuzuordnen (Babelon 1897, Nr. 409), das Eichler/Kris für den bedeutendsten und frühesten Kameo dieser Gruppe (Eichler/Kris 1927, Nr. 415) hält. Weitere Exemplare befinden sich in Braunschweig (Schütte 1997, Nr. 142), in London (Dalton 1915, Nr. 23), St. Petersburg (AK Paris 2000, Nr. 213/29; Nr. 198/14) und anderen europäischen Sammlungen.
Stand: April 2006
Quellen Inventar Völkel 1791, Tab. VI. 1: "Ein Christuskopf mit Dornen gekrönt in Jaspis. Heliotrop."
Pretiosen-Inventar Völkel 1827 (B II), Inv.No. B II. 624
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. II. 1: "Christuskopf mit Dornen gekrönt. Jaspis Heliotrop. / mit goldener Einfaßung (oder vergoldeter) / Pretiosen / Jetzt ausgestellt Pret. Inv. V. No 624"
Preziosenliste Lenz 1881, Inv.No. V. 624
Literatur Möbius 1929, S. 59, Taf. 16d
Vergleich Babelon 1897, Nr. 408, Taf. XLVIII, Nr. 409, Taf. XLIX; Dalton 1915, Nr. 23, Taf. I; Eichler/Kris 1927, Nr. 415-419, Taf. 59, 61; Kris 1929, Nr. 622/183; Nr. 621/183, S. 142, Anm. 12; Kris 1932, Nr. 37, Taf. XV; R.-A. Schütte, in: AK Essen/Wien 1988, Nr. 487; AK Darmstadt 1992, Nr. 89, 102; Weber 1992, Nr. 114; Schütte 1997, Nr. 142; R. Distelberger, in: AK Wien 2002, S. 245
|