Beschreibung und Einordnung Dieses Objekt gehört durch seine doppelseitige Bearbeitung zu den Raritäten in der Steinschneidekunst. Das Andachtsbild zeigt auf der Kameenseite ein Kruzifix mit dem Körper Christi und der lateinischen Beischrift "INRI" oben am Kreuzbalken. Die Ausarbeitung dieser Seite geht nicht sehr ins Detail.
Die Intaglioseite zeigt die Verkündigung Mariae. In starker Bewegung geht der Engel von links mit dem Verkündigungsgestus der Rechten und dem Lilienzweig in der Linken auf die an einem Betpult kniende Maria zu, die sich ihm zuwendet. Zwischen und hinter den beiden eine Säule, die den Raum andeutet, in dem sich Maria befindet. Links über dem Erzengel Gabriel die Heiliggeisttaube. Die gesamte Darstellung ist auf eine Bodenlinie gesetzt. Eine spätere Verkündigungsdarstellung auf einem Intaglio, etwas variiert und seitenverkehrt, befindet sich in der Münchner Münzsammlung (Weber 1992, Nr. 368).
Der relativ kleine Steinschnitt wird von einer breiten Fassung mit durchbrochener und verschlungener Volutenornamentik eingefaßt, die sich konisch nach unten verbreitert. Unten sind fünf feststehende Ringe angebracht, die sicherlich für Hängeperlen vorgesehen waren. Möbius, der diesen Anhänger besprochen hat, vertritt die Ansicht, daß "die Fassung unfertig zu sein scheint, daß die einzelnen Bänder zum Teil gehöhlt sind und zur Aufnahme von Email hergerichtet" seien. Er meint, daß "der Mangel an buntem Email- und Perlenbesatz die Wirkung wohl für den modernen Betrachter erhöht" (Möbius 1929, S. 58).
Möbius erwähnt einen doppelseitigen Steinschnitt in der Wiener Kunstkammer (Eichler/Kris 1927, Nr. 224), der auf der Kameenseite den Auszug der Tiere aus der Arche Noah und auf der Intaglioseite gleichfalls eine Verkündigung an Maria aufweist. Dieser Steinschnitt wird bereits 1619 erwähnt und Alessandro Masnago zugeschrieben. Die Zuschreibung beruht auf der stilistischen Verwandtschaft mit einem "A.M.F." signierten Stück der Wiener Sammlung "Latona und die Bauern" (Eichler/Kris 1927, Nr. 205). Dem Umkreis Masnagos kann auch der Kasseler Steinschnitt stilistisch angeschlossen werden. Wie bei einem weiteren ebenfalls doppelseitigen Steinschnitt der Wiener Kunstkammer (Eichler/Kris 1927, Nr. 224) werden beide Seiten jeweils von einer Hand sein.
Alessandro Masnago (1540 -1620) war als Steinschneider wohl vornehmlich für Kaiser Rudolf II. in Prag tätig, blieb aber in Mailand wohnhaft (Distelberger 1999, S. 314) und unterhielt dort offenbar einen großen Werkstattbetrieb (Thieme/Becker 1907-1950, Bd. 24, S. 208). Da Masnago achtzig Jahre alt wurde und auf eine Schaffenszeit von über 50 Jahren zurückblicken konnte, kann von einer "großen Bandbreite im künstlerischen Ausdruck" ausgegangen werden (R. Distelberger, in: AK Wien 2002, Nr. 83, S. 167).
Ein verwandter doppelseitiger Steinschnitt befindet sich in der Münzsammlung in München (Weber 2001, Nr. 145). Dessen gleichfalls religiöse Darstellung zeigt auf der Kameenseite "Die Anbetung des Kindes" und auf der Intaglioseite "Moses vor dem brennenden Dornbusch". Weber bestimmt diesen Kameo als "Oberitalien (?), Ende 16. bis Anfang 17. Jahrhundert".
Stand: April 2006
Quellen Inventar Völkel 1791, Tab. VI. 4: "Ein Krucifix, auf der andern Seite die Verkündigung Mariä. Onyx. / in vergoldeter Einfaßung."
Pretiosen-Inventar Völkel 1827 (B II), Inv.No. B II. 627
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. II. 4. "Ein Krucifix. Onyx. Rückseite, Verkündigung Mariä, vertieft / mit vergoldeter Einfaßung / Pretiosen / Jetzt Pretiosen Inv. V No 627."
Preziosenliste Lenz 1881, Inv.No. V. 627
Literatur Möbius 1929, S. 58, Taf. 18d, e
Vergleich Eichler/Kris 1927, Nr. 224, Taf. 32, Abb. 59; Nr. 205, Taf. 30; Thieme-Becker 1907-1950, Bd. 24, S. 208; Weber 1992, Nr. 368; Distelberger 1999, S. 314; Weber 2001, Nr. 145, Taf. XX; R. Distelberger, in: AK Wien 2002, Nr. 83, S. 167
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