Beschreibung und Einordnung Dido, Königstochter aus der Phönizierstadt Tyrus, war die Gründerin von Karthago. Ihr Brustbild ist im Profil nach rechts dargestellt. Es zeigt feine Gesichtszüge mit durchgehender Stirn-Nasen-Linie und eine aufwendig detaillierte Frisur mit Perl- und anderen Schmuckbändern im Haar. Ein Haarteil ist am Hinterkopf als eine Art Schnecke geschwungen, daraus fallen lange Lockensträhnen zum Rücken hinab. Über dem antikisierenden Gewand ein Umhang, der an der rechten Schulter mit einer Fibel gehalten wird. Wegen des gleichmäßig bräunlichen Farbtons setzt sich die Reliefdarstellung nur schwach von der Umgebung ab und wirkt dadurch etwas monoton. Der Stein ist auffallend dünn geschliffen, das Relief flach gearbeitet. Der Kameo nähert sich damit dem Intaglio an. Insgesamt wirkt der Stein transluzid. Um dies auch beim Inkarnat zu erreichen, wurde auf der Rückseite der Kamee eine Mulde ausgehöhlt. Derartige Vertiefungen gibt es selten, vielleicht kann dies als Charakteristikum für einen in der Tiefschnittechnik erfahrenen Steinschneider gewertet werden.
Bei diesem Stück kann eine Neuzuschreibung gemacht werden: Bei Lippold (Lippold 1922, Taf. 159, Nr. 1) findet sich ein identischer Typ einer Dido-Kamee. Dort wird auf das Oeuvre-Verzeichnis von Hermann Rollett (Rollett 1874, S. 9), den Biographen der Pichler-Dynastie, verwiesen. Unter der Rubrik "Antonio Pichler's Werke. II. Intaglien" wird unter der Nummer 20 folgendes Stück beschrieben: "Dido. Brustbild, nach rechts gewendet. Mit der Inschrift: ΔIΔΩN." Wahrscheinlich ist also die hier besprochene Kamee ebenfalls von Pichler oder eine Kopie nach dem Intaglio. Leider weist sie keine Signatur auf, doch muß sie ebenfalls ins 18. Jahrhundert datiert werden. Eine Dido-Gemme, in etwas veränderter Form, befindet sich am Obeliscus Augustalis (Watzdorf 1972, S. 20) im Grünen Gewölbe in Dresden. Als Schöpfer dieser seitenverkehrten Variante gilt der Steinschneider Johann Christoph Hübner (Reichenau bei Zittau um 1665-1739 Dresden).
Anton Pichler wurde in Brixen geboren (Rollett 1874, S. 4-10), er bereiste als Kaufmann Italien und ließ sich in Neapel im Stempelschneiden bei einem Goldschmied ausbilden. Als Glyptiker wurde er bald durch seine Kopien antiker Gemmen berühmt. Von seinem Biographen H. Rollett wurde er als "der ruhmwürdige Begründer der neueren gemmoglyptischen Kunst" bezeichnet. Seine Söhne waren gleichfalls Steinschneider und übertrafen ihn an Berühmtheit.
Unbekannt bleibt vorerst, ob die Landgrafen Wilhelm VIII. oder Friedrich II. von Hessen-Kassel die Dido-Kamee erworben haben oder als Geschenk überreicht bekamen.
Stand: November 2006
Quellen Inventar Völkel 1791, Tab. VII. 43: "Semiramis. Or. Achat."
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. IV. 43: "Weiblicher Kopf. Achat."
Inventar Pinder 1882-1897 (B V), Tab. II. 39: "Weiblicher Kopf. Achat."
Literatur unpubliziert
Vergleich Rollett 1874, S. 9, Nr. 20 u. S. 4-10; Lippold 1922, Taf. 159, Nr. 1; Watzdorf 1972, S. 20
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