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Katalog der nachantiken Kameen



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Doppelporträt eines antiken Herrscherpaares

Inv.-Nr. B XVI. Tab. B-VI-6
Künstler
unbekannt
Ort
Frankreich oder Oberitalien
Datierung
16. Jh.
Steinschnittart
Kamee
Material
Sardonyx
Materialbeschreibung
fünfschichtig: Bart, Helm und Kleidung der männlichen Büste aus der obersten dunkelbraunen Schicht, Inkarnat aus der weißen Schicht, Haar der weiblichen Büste dunkelbraun, Inkarnat mit Gewandansatz aus der weißen Schicht, Grundplatte aus der untersten dunkelbraunen Schicht; rechts wegen eines Bruchs ein hellgraues Ersatzstück vertikal angesetzt

Bildseite stark, Rückseite und gerader Rand matt poliert
Form
Hochoval
Maße
5,29 x 3,98 x 1,18 cm
Provenienz
1730 wohl Nachlaß Landgraf Karl
Zustand
rechts ein großer Teil der Grundplatte abgebrochen und durch eine hellgraue Achatplatte ersetzt; links und rechts kleinere Randabsplitterungen
K90099  Bild1
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Beschreibung und Einordnung
In eindrucksvoller Form ist ein Herrscherpaar im gestaffelten Doppelbildnis hintereinander dargestellt. Beide blicken in strengem Profil nach links, der männliche vollbärtige Kopf mit seinem geflügelten Helm ist vor das weibliche Brustbild gesetzt. Bei der Darstellung von Herrscherpaaren steht das Frauenporträt in der Regel wie hier hinter dem des Mannes.
Der Typus der sogenannten "capita iugata" (Zwierlein-Diehl 1990, S. 547), der Gattung des gestaffelten Doppelbildnis, war eine üblichen Darstellungsform hellenistischer Herrscher. Die Bildform der gestaffelten Porträts des Königs im Vordergrund und der Königin in der zweiten Ebene galt offenbar als kennzeichnende Darstellung des Herrscher-Ehepaars (Zwierlein-Diehl 1990, S. 548).
Der fünfschichtige Stein von stattlicher Größe, ein sogenannter indischer Sardonyx, ist in seiner dunkelbraun-weißen Buntfarbigkeit mit großem Können für die Darstellung genutzt worden. Die Verwendung des kostbaren Materials und die hervorstechende Technik machen den Einfluß der großen Prunkkameen der Antike deutlich.
Wer dargestellt ist, läßt sich nicht eindeutig bestimmen. Völkel und Pinder bezeichnen die Dargestellten als "Hektor und Andromache oder Priamus mit Hekabe". Als Hinweis für ein trojanisches Paar sieht Völkel die phrygische Mütze, deren Seitenteile unterhalb des Helmes herabfallen. Für die Darstellung von Hektor und Andromache könnte der auffällige Helm sprechen, da bekannt ist, daß der kleine Sohn Astyanax vor seinem gerüsteten Vater Hektor Angst hatte, bis dieser den gewaltigen Helm absetzte. Durchaus möglich wäre auch die Darstellung von Hektors Vater, des trojanischen Königs Priamus, mit dessen Gemahlin Hekuba.
Weber bespricht bei einem Sardonyxkameo (Weber 2001, Nr. 157, Taf. XVII, mit weiterführender Literatur), der ebenfalls ein antikes Herrscherpaar zeigt, ausführlich diesen Themenkreis und die seit Jahrhunderten geführte Diskussion um die Identifizierung. Dort erwähnt sie die hier vorliegende Kasseler Kamee (Weber 2001, S. 99) und stellt fest, daß sie von Landgraf Karl erworben wurde, der einen großen Teil seiner Sammlung 1710 von dem Nobile Capello in Venedig erwarb. Dies ist reine Spekulation, da bisher ungeklärt ist, woher die Stücke des Tablars B-VI stammen. Man weiß lediglich, daß sie sich bis zum Tod von Landgraf Karl in dessen Nähe, in dem "Gewölbe unterm neuen Cabinet", befunden haben.
Platz-Horster verwirft die Ansicht, daß bei diesem Typus (Platz-Horster 1997, S. 55-70) ein trojanisches Paar gemeint sein könnte und spricht von einem ptolemäischen Herrscherpaar (mündl. Mitteilung). Erika Zwierlein-Diehl (Archäologisches Institut der Universität Bonn) sieht in der Darstellung ein Phantasieporträt eines trojanischen Paares.
Individuell wirken die Gesichtszüge des Paares, auffällig die gebogene Nase des Herrschers. Möglich erscheint auch, daß sich ein neuzeitliches Fürstenpaar in einem 'Portrait historié' als antikes Herrscherpaar hat darstellen lassen.

Stand: April 2006

Quellen
Inventar Völkel 1791, Tab. XXIII. 6: "Ein troianischer Held mit seiner Gemalin, wie die Binde, die am Halse herunterhängt und zur phrygischen Mitra gehört, zu zeigen scheint. Vermutlich ist es Hector und Andromache, oder Priamus und Hecuba. An der Mitra des Priamus beim Lippert / Mill.P.2.No. 1,2,3. bemerkt man eben diese herabhängende Binden."
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. VI. 6: "Hector und Andromache oder Priamus mit Hecuba. Onyx."
Inventar Pinder 1882-1897 (B V), Tab. IV. 5: "Hector und Andromache oder Priamus und Hecuba? Onyx. [Vorgängerinventar] VI 6."

Literatur
Weber 2001, S. 99

Vergleich
Zwierlein-Diehl 1990, S. 547f.; Platz-Horster 1997, S. 55-70; Weber 2001, Nr. 157, Taf. XVII


Es wird empfohlen, für den Online-Katalog der nachantiken Kameen folgende Zitierweise zu verwenden:
Heidi Schnackenburg-Praël, [entsprechende Inv.-Nr. bzw. Einleitungstext], in: Bestandskatalog der nachantiken Kameen in der Sammlung Angewandte Kunst der Staatlichen Museen Kassel, hrsg. von Michael Eissenhauer, bearb. von Heidi Schnackenburg-Praël, Online-Kataloge der Staatlichen Museen Kassel, Kassel 2006, <http://www.museum-kassel.de [Datum des Besuchs der Website]>

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