Beschreibung und Einordnung Diana, die Göttin der Jagd, ist im Brustbild nach rechts im Profil dargestellt. Sie trägt den ärmellosen Chiton, auf dem Rücken ihre Waffe, von der hier lediglich der geschlossene Köcher dargestellt ist. Von ihren frei auf die Schultern herabfallenden Lockensträhnen ist eine Haarpartie zu einem hochsitzenden Schopf aufgebunden.
Charakteristisch für diese Kamee sind der flächige Schnitt, die etwas steife Art und die farblich interessante Dreischichtigkeit des Materials. Die Oberfläche der obersten bearbeiteten Haar- und Gewandschicht wirkt in der Fläche bündig. Die Locken- und Faltengrate erreichen dadurch ihren plastischen Effekt, daß der Steinschneider in den Faltentiefen bereits die hellere Steinschicht durchschimmern läßt. Dies ist eine gekonnt raffinierte Steinverwendung. Ähnlich in der Gesamtauffassung des weiblichen Brustbilds mit der flächigen Bearbeitung und demselben Frisurentyp mit dem hochsitzenden Schopf ist eine Kamee mit einer Römerin in Florenz (Kris 1929, Nr. 59), sie wird als "italienisch, 16. Jh.", eingeordnet.
Weber deutete eine Stilverwandtschaft der Kasseler Diana mit einer Münchner Kamee mit der Darstellung Alexanders des Großen an (Weber 1992, Nr. 191). Sie datiert die Münchner Kamee ins 17. Jahrhundert und lokalisiert sie nach Italien. Wahrscheinlicher ist aber bei dem Kasseler Stück und möglicherweise bei der gesamten Gruppe mit dieser speziellen flächigen Steinverarbeitung eine französische Provenienz.
Die Darstellung der Diana war in der Glyptik ein beliebtes Thema und ist in zahlreichen Sammlungen sogar mehrfach vertreten. Das berühmteste antike Exemplar stammt aus einem Grabfund bei Verona im Jahre 1828 (Eichler/Kris 1927, Nr. 42, Taf. 16), es zeigt die Göttin mit Bogen und Köcher. Völkel bezeichnet die Kasseler Kamee in seinem Steininventar von 1791, also vor dem Grabfund, als "Unbekannte Büste". Pinder benennt in seinem Inventar von 1873, also nach dem Grabfund, die Darstellung der Kamee "Weiblicher Kopf (Diana?)".
Daneben existieren zahlreiche weitere antike Diana-Kameen mit hochgebundenen Schopf und Köcher in Berlin (Furtwängler 1896, Nr. 11109 f.) und vor allem in der Eremitage in St. Petersburg (Neverov 1988, Nr. 114-116; AK Zürich 1993, Nr. 129) und in Paris in der Bibliothèque Nationale (Vollenweider 1995, Nr. 97, 98, 99 und 131). In London im British Museum (Dalton 1915, Nr. 73, 75, Taf. VI) findet sich der ähnliche, etwas steife hochovale Diana-Typus, der unserer Kamee mit geschlossenem Köcher, ohne sichtbaren Bogenansatz, entspricht. Diana/Artemis war die populärste Göttin der Griechen und trat im Kult besonders hervor. Sie galt als Herrin der Tiere, auf der Peloponnes galt sie speziell als Fruchtbarkeitsgöttin.
Besonders beliebt war die Göttin Diana am französischen Hof im 16. Jahrhundert. Den größten Liebreiz zeigt eine Diana-Kamee der Eremitage (Kagan 1973, Nr. 52; AK Paris 2000, S. 83), die Diana von Poitiers (1499-1566) als "Diana" verkörpert. Sie war die Favoritin von Heinrich II., dem König von Frankreich. Nach dessen Tod im Jahre 1559 mußte sie den Hof verlassen.
Stand: April 2006
Quellen Designationsliste (1730) 1753, Nr. 116: "Sechs dito ohneingefaßte ("Eilf Köpfe und Brustbilder in orientalischen Steinen, von welchen einer eingefaßt"). [Nachlaßinventar] 139."
Inventar Völkel 1791, Tab. XXIII. 16: "Unbekante Büste." ("Sardonyx" mit Bleistift hinzugefügt)
Inventar Pinder 1873 (B XVI), B. Tab. VI. 16: "Weiblicher Kopf (Diana?). Achatonyx."
Inventar Pinder 1882-1897 (B V), Tab. IV. 15: "Weiblicher Kopf, Diana? Achat-onyx. [Vorgängerinventar] VI 16."
Literatur Weber 1992, Nr. 191, Taf. IV
Vergleich Furtwängler 1896, Nr. 11109f., Taf. 67; Babelon 1897, Nr. 31, Taf. V, auch Nr. 32, Taf. IV; Dalton 1915, Nr. 73, 75, Taf. VI; Eichler/Kris 1927, S. 70, Nr. 42, Taf. 16; Kris 1929, Nr. 59, Taf. 16; Kagan 1973, Nr. 52; Oberleitner 1985, S. 67; Neverov 1988, Nr. 114-116; Megow 1993, Nr. 129, S. 242; Vollenweider 1995, Bd. I, Nr. 97-99, Taf. 56 u. Nr. 131, Taf. 70; AK Paris 2000, S. 83, Nr. 46/27
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